Die 7 schlimmsten Testleser! Wem Du Dein Manuskript nie zeigen solltest

Mädchen mit Buch auf dem Gesicht schläft auf Baumast überm See

Wer Erfolg als Autor haben möchte, der muss lernen, so zu schreiben, dass er damit seine Zielgruppe begeistert. Ob man das kann, erfährt man schnell, wenn man seine Texte von anderen Menschen lesen und beurteilen lässt. Doch solche Testleser wollen mit Bedacht ausgewählt sein. Es gibt ein paar Typen, um die Du einen großen Bogen machen solltest. Hier präsentiere ich die schlimmsten Arten von Testlesern. Wenn Du Dir nützliches Feedback zum Spannungsaufbau, der Charakterkonzeption oder zum Schreibstil wünscht, dann zeige Dein Manuskript solchen Leuten auf keinen Fall!

Bis auf eine Ausnahme können die unten genannten Typen jegliches Geschlecht haben. Der Einfachheit halber habe ich sie aber entweder Mann oder Frau zugeordnet. Dass dabei persönliche Traumata beziehungsweise Erfahrungen miteingeflossen sind, kann ich zu meinem Bedauern nicht ausschließen. Aber nun geht es weiter mit den „Worst 7 der Testleser“.

Die egozentrische Selbstvermarkterin

„Also das Aufeinandertreffen deiner Protagonisten vor der Kirche hat mich total an eine Szene aus meinem Roman erinnert. Da haben sich auch zwei Atheisten vor einer Kirche getroffen. Moment, ich erzähle dir mal, was dann passiert ist …

Junge Selbstvermarkterin als Testleserin hebt belehrend den Finger.

Lieblingssätze: „Ja, die Szene hast du schon ganz gut beschrieben, aber das geht noch besser. Moment, ich zeig dir mal am Beispiel meiner Geschichte, wie’s richtig geht.“

Lieblingsgeste: Das Zücken des eigenen Manuskripts, der eigenen Skizzen oder des Smartphones zum Präsentieren der eigenen Website. Hauptsache irgendwas wird gezückt, das garantiert nichts mit Deinem Manuskript zu tun hat!

Charakterisierung: Eine Testleserin aus der Hölle!

Nahezu jeder Autor oder generell jeder Künstler mag es, wenn sein Werk positive Aufmerksamkeit erhält. Einige gieren regelrecht danach. Problematisch wird das dann, wenn solche Leute zwar die ganze Zeit über ihr eigenes Werk reden wollen, aber sich für andere Schriftsteller einen Scheißdreck interessieren. Das ist sozusagen die Wurzelsünde vieler Autoren. Und die fleischgewordene Inkarnation dieser Sünde ist die egozentrische Selbstvermarkterin. Ich, ich, ich! lautet ihr Motto.

Andere Menschen und Bücher sind für sie nur Fußnoten, die auf ihr Werk verweisen sollten. Ihre größte Qual sind jene Sekunden, die sie Dir zuhören muss, wie Du über Dein langweiliges Manuskript redest. Ihr großer Erlösungsmoment dann die Sekunde, in der sie Dich unterbrechen kann, um über ihr eigenes Buch zu reden. Das im übrigen ja ohnehin spannender ist als Deines. Denn Du bist ja eigentlich nur spannend, wenn Du sie bewunderst! Oder ihre Bücher kaufst.

Strategie zum Umgang: Brenn Sie aus Deinem Leben!

Egal, wie gut Dein Manuskript ist, die Selbstvermarkterin hat eine unveränderliche Meinung dazu: Ihres ist viel besser! Im unwahrscheinlichen Fall, dass sie tatsächlich eine begabte Schreiberin ist, kannst Du überlegen, ob Du Deinen Stolz runterschluckst und ihr zuhörst. Und dann kannst Du versuchen, aus den ganzen Selbstbeweihräucherungsreden ein paar handfeste Tipps zu extrahieren. Aber wirklich ausnahmslos nur dann, wenn Du niemanden sonst kennst, der Ahnung von Literatur hat! Und wenn sie eigentlich eine miserable Schreiberin ist? Dann kickst Du Sie bitte nicht nur aus Deinem Lesezirkel, sondern komplett aus Deinem Leben. Denn solche Menschen fressen Zeit, Nerven und wollen ständig Aufmerksamkeit, ohne irgendetwas dafür zurückzugeben.

Der wortkarge Feedback-Krüppel

Ein blasser Feedback-Krüppel verzieht das Gesicht

„Und, wie fandest du die Geschichte?“

„Ja, okay.“

„Nur okay? Was hat dich denn gestört?“

„Hm, weiß nich‘ …“

„Aber du musst doch wissen, warum du sie nicht so gut fandest?“

„Ja, hm … war halt nich‘ spannend.“

„Und was hat dir an ihr gefallen?“

„Ja, war halt in Ordnung.“

„Wie bitte? WAS genau war in Ordnung?!“

„Hm, halt die Geschichte …“

Und insgeheim fragt sich der missmutig wortkarge Feedback-Krüppel, was Du eigentlich von ihm willst.

Lieblingsworte: Hm“, „Naja“, „Okay

Lieblingsgeste: Schulterzucken

Charakterisierung: Hm … nich‘ okay für Feedback

Es gibt Steine, Stöcke, Zierpflanzen und es gibt den Feedback-Krüppel. Und sie alle sind ähnlich gute Testleser. Denn auch wenn Du ihm noch so viele Fragen stellst: Der Feedback-Krüppel wird dir nicht beantworten können, was genau er an Deiner Geschichte gut oder schlecht fand. Du bekommst höchstens dahergenuschelte Werturteile: „Is okay“, „Geht so“ oder „Langweilig“.

Du solltest ihm keine Boshaftigkeit unterstellen. Vermutlich bereitet ihm das Artikulieren von Worten einfach Schmerzen. Auf genaueres Nachhaken reagiert der Feedback-Krüppel oft mit einer langen Sprechpause. Viele Autoren erliegen dann der falschen Hoffnung, dass gleich eine wohlüberlegte Antwort kommt. Und ja, der Feedback-Krüppel überlegt … und überlegt … dann kommt schließlich die Antwort: „Hm … weiß nich‘.“

Strategie zum Umgang: Frag nicht! (ernsthaft, das ist die Strategie)

Die Strategie lautet schlicht: Frag ihn nicht nach seiner Meinung! Du bekommst vielleicht ein kurzes Urteil zu Deinem Manuskript. Aber was nützt Dir das, wenn Du nicht die geringste Ahnung hast, wie es zustande kam? Im schlimmsten Fall übermannt Dich während des  „Gespräches“ die blanke Wut! Denn Autoren, die Hunderte von Seiten schreiben, haben oft wenig Verständnis für Leute, die am liebsten in Einwortsätzen kommunizieren. Doch eigentlich gibt es keinen Grund, auf solche Menschen wütend zu sein: Ich finde beispielsweise Goldfische ganz putzig. Aber wenn ich dann ausführliche Literaturanalysen von ihnen erwarte, ist das nicht deren Schuld!

Die begeisterungsfähige Wenigleserin

„Boah, voll klasse! Du wirst bestimmt mal ’ne berühmte Schriftstellerin!“

Junge Frau schreit Wow, nachdem sie ein Horrorbuch gelesen hat
Lieblingssätze: „Das musst du veröffentlichen!“, „Krass!“, „Du bist die beste Schriftstellerin, die ich kenne!

Lieblingsmimik: Ein ausdruckvolles Formen der Lippen zu einem O, wenn sie „Boah!“, „Toll!“ oder „ooooaaaaahsome!“ sagt. Dabei werden meist gleichzeitig die Augen bewundernd aufgerissen.

Charakterisierung dieser fröhlichen Testleserin

Die begeisterungsfähige Wenigleserin wird ihrem Namen in jeder Hinsicht gerecht: Sie liest fast nichts und kommuniziert hauptsächlich über ihre expressive Mimik und kurze Überraschungslaute. Und weil sie somit wenig Übung in der Bildung vollständiger Sätze hat, hält sie jeden Deiner Texte für pures Gold. Satzkonstruktionen mit Nebensätzen, ein Wortschatz von mehr als 200 Worten – das sind alles Dinge, von denen sie kaum Ahnung hat. Wer so etwas meistert, muss in ihren Augen ein Genie sein.

Man sollte ihr zugute halten, dass es da draußen weitaus unfreundlichere Lesemuffel gibt. Beispielsweise so manchen Griesgram, der ständig darauf verweist, dass Schriftsteller mal was Vernünftiges“ arbeiten sollen. Doch unsere Wenigleserin gehört nicht zu solchen Miesmachern: Statt das abzuwerten, was wenig Platz in ihrem Leben einnimmt, zollt sie Dir echte Bewunderung. Und sie meint es vollkommen ernst, wenn sie sagt, dass Du der beste Schriftsteller bist, den sie kennt. Nur leider kennt sie kaum einen anderen. Nichtmal namentlich!

Strategie zum Umgang: Gut fürs Selbstvertrauen, aber frag auch andere Testleser

Die begeisterungsfähige Wenigleserin begegnet vielen Nachwuchsautoren schon recht früh auf ihrem mühsamen Weg zum ersten Manuskript. Und das ist ein Glück, denn sie ist ein echter Egopusher! Nicht wenige Schriftsteller hätten sich für eine komplett andere Karriere entschieden, wenn ihnen nicht in der Schulzeit ein paar bewundernde Wenigleser Talent bescheinigt hätten. Diese Testleserin ist ein wahrer Sonnenschein und kann einen wieder aufrichten, wenn man von Kritikern zerfetzt wurde. Doch eines muss man sich bewusst machen! Wenn man sich keinerlei andere Testleser sucht, läuft man Gefahr, sich selbst zu überschätzen. Man glaubt dann irgendwann, dass man der größte Schriftsteller der Welt ist. Und vergisst, dass einem das bislang nur von jemandem bescheinigt wurde, der von Literatur nicht die geringste Ahnung hat. Als gute Freundin ist die begeisterungsfähige Wenigleserin sicher ein Gewinn. Wer aber schriftstellerische Fortschritte machen will, der sollte sich auch ein paar Testleser suchen, die fundiertes Feedback geben können.

Der Freunde-Sammler aka Netzwerker

„Dein Buch war AWESOME! Absolut großartig! Ich bin froh, dass ich jemanden mit so viel Herz und Talent zu meinen Freunden zählen kann. Wie? Was ich genau gut fand? Hm, da muss ich mal überlegen … Oh, da ist Thomas. Kurzen Moment, ich bin gleich wieder zurück. Thomas würdest du mögen. Er ist AWESOME, absolut großartig …“

Netzwerker als Testleser hält Like-Symbol hoch.
Immer bereit, alles für seine Freunde zu tun … so lange es keine keine Mühe kostet! Komplimente raushauen, den Like-Button drücken und vielleicht mal einen kurzen Kommentar verfassen. ___________________

Lieblingssätze:Lass mich dir kurz YXZ vorstellen …“ , „Ich habe dich immer bewundert!“ (wobei „immer“, hier auch „zwei Wochen“ bedeuten kann), „Klar hab ich mir dein Manuskript angeschaut, es war IMPRESSIVE! Nein, ich konnte noch nicht alle Kapitel lesen, aber du bekommst so viel Aufmerksamkeit von mir, wie ich dir geben kann. Weil du mir sehr wichtig bist!

Lieblingsgestik und -mimik: Bei männlichen Netzwerkern meist joviales Schulterklopfen, und generell gern Umarmungen. Besonders innige Umarmungen für „beste Freunde“ (also alle Zweitausend davon)

Ständiges Hin- und Hereilen, vom aktuellen Gesprächspartner zum nächsten, der noch mehr Prestige verspricht, … und dann zum übernächsten …

Charakterisierung: Weder Testleser noch echter Freund

Der Freundesammler gibt Dir das Gefühl, dass Du etwas ganz Besonderes bist. Ein Mensch mit unverwechselbaren Talenten und überaus wertvoll. Halt wie seine 2580 anderen Freunde, um die er sich ebenfalls kümmern muss! Denn  „Freunde“, das ist für den Netzwerker nur ein anderes Wort für „Ressourcen“. Du bist eine davon, und zwar eine mit einem gewissen Wert. Wie viel Zeit der Freunde-Sammler Dir widmet, hängt davon ab, welchen Wert er Dir im Vergleich zu seinen 2580 anderen Ressourcen zumisst. Kennst Du berühmte Leute? Kannst Du gut backen und Kuchen für seine Partys mitbringen? Oder gibt Deine Anwesenheit seinen Partys den Anstrich des Kunstförderers, weil Du bereits etwas veröffentlicht hast? Den Bodensatz bilden jene Menschen, deren Wert nur aus ständiger Verfügbarkeit besteht. Die also immer bereitstehen, wenn der immens beliebte Netzwerker nach ihnen pfeift. Und falls seine Freunde auf den ersten 1000 Plätzen abgesagt haben, erinnert er sich auch wieder an solche Leute.

Nun mag man sich fragen, warum solch berechnender Kerl überhaupt so viele Freunde hat? Ganz einfach: Weil er ein menschliches Grundbedürfnis  verstanden hat. Nahezu alle Menschen mögen Komplimente von Leuten, die sie selbst als beliebt oder wertvoll erachten. Und der Netzwerker arbeitet beständig daran, beliebt zu wirken, und wirft gezielt mit aufmunternden Worten und Komplimenten um sich.

Strategie zum Umgang: Nutz ihn für Dein Marketing

Auf der Suche nach Testlesern bleiben viele Nachwuchsautoren entweder bei der begeisterungsfähigen Wenigleserin oder am Netzwerker kleben. Und dafür gibt es eine simple Erklärung: Beide geben einem zunächst ein gutes Gefühl! Man fühlt sich angenommen und als Schriftsteller wertgeschätzt. Das Problem dabei: Wenn man erstmal bemerkt hat, dass die Wenigleserin kaum Ahnung von Literatur hat, dann bedeutet ihr Urteil einem nicht mehr viel. Der Netzwerker erscheint im Vergleich deutlich kompetenter. Allerdings hat das Ganze einen Haken: Er ist nicht bereit, viel Mühe in Dich zu investieren, solange Du noch ein unbedeutender Nachwuchsautor bist

Aber es widerstrebt dem Naturell des Netzwerkers, das direkt zu zeigen. Er wird Dich also auch dann in höchsten Tönen loben, wenn er im Grunde keine Lust hat, sich mit Deinem Manuskript zu beschäftigen. Höchstwahrscheinlich hat er es auch nie ganz gelesen. Das ist der Grund dafür, dass sein überschwängliches Feedback meist sehr diffus bleibt.

Hast Du also den Verdacht, dass Dein Testleser ein Freundes-Sammler aka Netzwerker ist, dann überprüfe das einfach durch Detailfragen zu Deinem Manuskript. Bleiben die Antworten seltsam vage ( Es war awesome!“), weißt Du: Er hat Dein Manuskript nie gelesen. Also brauchst Du auf seine Einschätzung auch nichts geben.

Leute, die Dich  wie eine abrufbare Ressource behandeln, solltest Du entweder aus Deinem Leben entfernen oder sie genauso behandeln: Zeige dem Netzwerker also ruhig Dein Manuskript. Aber erst kurz vor der Veröffentlichung! Der Netzwerker kann bzw. will Dir kein Feedback zum Inhalt Deines Buches geben. Doch wenn er kurz vor der Veröffentlichung mit Dir vor seinen anderen Freunden angibt, kannst Du sein Netzwerk zur Eigenwerbung nutzen.

Die Genrehasserin 

„Boah, muss das denn so brutal sein? Kannst du nicht mal über schönere Dinge schreiben?“

Testleser: Genrehasserin schaut angeekelt in ein Horrorbuch

Lieblingssätze: Musst du denn unbedingt [hier beliebiges Genre einfügen] schreiben?“, Sag mal, findest du sowas eigentlich schön?“

Lieblingsmimik und -gestik: Pikiertes Naserümpfen oder schockiertes Augenaufreißen

Charakterisierung: Außer Genörgel gibt es bei ihr nichts zu holen

Du willst Genre-Literatur schreiben? Beispielsweise Horrorgeschichten oder Thriller? Spannende Storys über menschlichte Abgründe erzählen? Deinen Lesern den Angstschweiß auf die Stirn treiben? Tja, schade! Bei der Genrehasserin gibt es nur eine Art von Feeback: Deine Geschichte ist zu gruslig und viel zu negativ.

Eigentlich hasst sie das von Dir bevorzugte Genre. Aber sie wollte halt eine gute Freundin sein und sich deswegen als Testleserin anbieten. Und als „gute Freundin“ teilt sie Dir mit, dass Du Deine Lebenszeit damit verschwendet hast, Hunderte von Seiten in einem Genre zu schreiben, das der letzte Dreck ist. Horror ist doch eh nur Trivialliteratur für seltsame Freaks! Und das sei nicht ihre Meinung, das sei Fakt!

Eventuell wird sie das alles freundlicher verpacken. Schreibst Du einen Horrorroman fragt sie, ob es dort nicht etwas weniger blutig und brutal zugehen kann. Ein Erotikroman enthält ihr hingegen zu viel Sex. Und der Kriminalroman zu viel Verbrechen. Auf irgendeine Rückmeldung zum Handlungsaufbau wartest Du bei der Genrehasserin vergeblich. Und sie wird nicht mal ein schlechtes Gewissen deswegen haben: Immerhin wartet sie ja auch vergeblich darauf, dass Du endlich das Genre wechselst!

Strategie zum Umgang: Enttarne sie, bevor sie Dein Manuskript in Händen hält!

Am besten ist es, die Genrehasserin zu überführen, noch bevor sie Dein Manuskript gelesen hat. Und es ihr dann gar nicht erst zu geben! Du schreibst für eine bestimmte Zielgruppe. Überlege, was die auszeichnet und ob Deine potenzielle Testleserin irgendwas mit der gemeinsam hat. Man hängt in einem Vegan-Restaurant ja auch keine Werbung für Schweineschnitzel auf. Achte also darauf, ob Deine Testleser bestimmte Genres komplett ablehnen.

Der verliebte Nice-Guy als Testleser

„Also deine Geschichte fand ich super, ganz ehrlich. Aber passt ja zu dir: Du bist schließlich auch super. Weißt du übrigens, was ich noch super fände? Wenn wir mal zusammen einen Kaffee trinken würden.“

Lieblingssätze: „Ich habe mich noch nie von einem Menschen so verstanden gefühlt, wie von dir. Deine Geschichte hat mich tief im Innersten berührt.“

Und dann, wenn Du ihm nach Monaten und Wartens immer noch keinen Sex gewährt hast: „Du blöde Schlampe! Deine Scheißgeschichte interessiert eh keine Sau! Du schreibst doch nur in deinem stillen Kämmerlein, weil du zu hässlich bist, jemanden in ner Disco aufzureißen!“

Lieblingsgeste: Der seltsam zaghaft unentschlossene Versuch, beim gemeinsamen Lesen des Manuskriptes mal aus Versehen“ Deine Hand zu berühren.

Charakterisierung: Der Testleser als tickende Zeitbombe

Nice-Guy als Testleser sitzt vorm Laptop und macht einen Kussmund
Die Gedankenwelt des verliebten Nice-Guy: Wenn er Dir zeigt, wie sehr er Dein Manuskript liebt, dann wirst Du vielleicht irgendwann ihn lieben.

Einer der wenigen Testleser-Typen, der in seiner speziellen Ausprägung überwiegend dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Eigentlich ist „Nice-Guy“ aber ein ebenso furchtbarer Begriff wie „Gutmensch„. Und üblicherweise werden beide mit Vorliebe von sich in der Körpermitte kratzenden, selten duschenden, selbsterklärten Alphamännchen verwendet (Ja, ich habe Vorurteile. Aber damit mir niemand Generalisierung vorwerfen kann, steht da üblicherweise“).

An dem Nice-Guy ist nichts nett so wie an dem Klischee-Gutmenschen wenig gut ist. Aber „Typ, der glaubt, dass er sich mit Nettigkeit Sex von seiner Angeschmachteten erarbeiten kann und garstig reagiert, wenn er ihn nicht bekommt“ erschien mir als Zwischenüberschrift einfach zu lang. Füge diese längere Beschreibung einfach gedanklich ein, wenn ich „Nice Guy“ schreibe. 😉

Der verliebte Nice Guy ist ein denkbar schlechter Testleser. So lange er sich Hoffnung macht, kannst Du ihm auch ein von Kleinkindern gemaltes Kuchenrezept als Dein Manuskript anbieten: Er wird sagen, es sei das Beste, was er je gelesen hat! Wenn Du ihm kein Kleinkindgekrakel, sondern Dein echtes Manuskript zeigt, wird er Dir sogar genau sagen, was Dein Manuskript so großartig macht. Er lag schließlich lang genug auf der Lauer und hat Dich studiert, damit er Dich irgendwann rumkriegen kann.

Falls er nicht dumm ist, weiß der Nice-Guy also inzwischen, was Du besonders magst und welche Autoren Du als Vorbild hast. Liebst Du Lovecraft, wird er loben, wie beängstigend die kosmischen Schrecken sind, die Du in Deiner Geschichte beschreibst. Trägst Du schon seit mehreren Jahren eine bestimmte Charakteridee mit Dir herum? Dann lobt er Deine Charakterisierung der Hauptfiguren. Hat das irgendeinen Wert für Dich? Nein! Deine Geschichte ist für ihn völlig austauschbar, er würde sie ohnehin immer loben. Der Nice-Guy spiegelt nur das, was er für Deine Wünsche hält. Bis ihm dämmert, dass er mit seiner Taktik nicht zum Ziel kommt.

Strategie zum Umgang: Das Offensichtliche ansprechen, statt die Sache auszusitzen

Der verliebte Nice-Guy wirft Dich in jedem Fall eher zurück, als dass er Dir weiterhilft. Hast Du schriftstellerische Schwächen, wird er sie (selbst wenn er sie bemerkt) verschweigen. Und wenn Deine Geschichte gut ist, dann weist er nicht auf die tatsächlichen Stärken hin, sondern erzählt nur das, was Du am liebsten hören willst. Sein Urteil hat eigentlich nicht das Geringste mit Deiner Geschichte zu tun, sondern nur mit seinen Gefühlen Dir gegenüber. Das zeigt sich, sobald der Nice-Guy verstanden hat, dass seine Masche nicht zieht. Denn dann hält er Dein Manuskript mit einem Male für belanglosen Schrott.

Der Tipp zum Umgang mit hoffnungslos verliebten Männern: Wenn Du bemerkst, dass sich jemand in Dich verschossen hat und vollkommen klar ist, dass er für Dich keine Option ist, dann klär das mit ihm! Das gilt übrigens nicht nur für Testleser, sondern ganz allgemein. Denn so erfährst Du sehr viel schneller, ob er sich plötzlich in ein trotziges Mega-Arschloch verwandelt oder ob es jemand ist, der mit solch einer Zurückweisung vernünftig umgehen kann. Und so jemand kann dann vielleicht auch vernünftig mit Manuskripten umgehen …

(Damit wir uns nicht missverstehen: Wenn ernsthaft davon auszugehen ist, dass jemand im Falle einer Zurückweisung mit Gewalt reagiert, dann verfolgt diese Strategie natürlich nicht! Aber ich glaube, dass meine Leser alle klug genug sind, sich keinen Incel-Psychopathen als Testleser anzulachen. Also nicht mal für einen Krimi.)

Die kritiksüchtige Miesmacherin

„Ich glaub, es ist besser, wenn du das Schreiben aufgibst.“

Lieblingssätze: Meinst du das ernst? Ach Gottchen, ist das kitschig! Und so vorhersehbar!“, Ich könnte dir ja erklären, was daran schlecht ist, … aber es ist einfach viel zu viel!“

Lieblingsmimik- und gestik: Genervtes Augenrollen oder ein theatralisches Hand-aufs-Herz-Legen nach Sichtung des Manuskripts.

Charakterisierung: Genörgel als Lebensprinzip 

Miesmacherin, die Eimer in der Hand hält, weil sie ein Manuskript zum Kotzen findet
Sicherheitshalber hat die Miesmacherin schon einen Eimer mitgebracht. Denn Dein Manuskript findet sie zum Kotzen.

Sie hält Dein Manuskript für Schrott! Entweder ist alles daran furchtbar oder zumindest 90 Prozent. Falls Du fragst, warum sie den Text so bewertet, dann ist ihre Antwort klar: Weil Du ein furchtbar mieser Autor bist!

Und damit kommen wir auch schon zum wesentlichen Kennzeichen der Miesmacherin: Ihre Kritik ist allumfassend und fast immer vollkommen substanzlos. Denn die kritiksüchtige Miesmacherin gehört zu jenen Menschen, die das eigene Selbstwertgefühl nur steigern können, indem sie alles und jeden abwerten. Und gibst Du ihr Gelegenheit dazu, wird sie auch genau das mit Deinem Manuskript machen – unabhängig von dessen tatsächlicher Qualität.

Diese Eigenschaft unterscheidet sie deutlich von anderen Testlesern, die das Selbstvertrauen eines Autors ebenfalls bombardieren. Ein notorischer Fehlersucher beispielsweise unterschlägt alles an Deinem Manuskript, was gut ist, aber er sucht zumindest nach tatsächlichen Schwächen. Diese Mühe macht sich die Miesmacherin gar nicht erst.

Natürlich kann auch sie Dir irgendwelche vermeintliche Schwächen nennen. Aber sobald es ans Begründen geht, kommen nur Ausflüchte und inhaltsleeres Blabla. Frei nach dem Motto: Wenn Du ohne Hilfe nicht mal erkennst, warum das kitschig, mies geschrieben oder langweilig ist, dann sei Dir auch nicht mehr zu helfen! Eine typische Antwort der Miesmacherin, denn auf diese Weise wertet sie nicht nur Dein Manuskript ab, sondern gleich Dich als ganze Person.

Strategie zum Umgang: Raus aus der Wohnung, dem Leben und aus dem Gedächtnis!

In einer gerechten Welt dürftest Du die Miesmacherin und die egozentrische Selbstvermarkterin gemeinsam in einen kleinen Raum sperren und abwarten, bis eine die andere erschlägt. Doch leider ist die Welt nicht gerecht.

Also ist die Strategie eine ähnliche, wie bei der Genrehasserin: Achte auf die Warnzeichen! Und wenn Du welche erkennst, behalte Dein Manuskript für Dich! Üblicherweise beschränkt die Miesmacherin ihr Genörgel nämlich nicht auf Texte. Hast Du eine Freundin oder Bekannte, die schon beim ersten Besuch an Deiner Wohnung herumgemäkelt, die Deine Freunde abwertet, Deine Beziehung kritisiert und die Dich ungefragt darauf hinweist, dass Du mal etwas für Deine Figur tun solltest, dann sind das überdeutliche Zeichen! Du hast Dir eine Miesmacherin ins Haus geholt.

Bevor sie nun beginnt, alles niederzumachen, was irgendeinen Wert für Dich hat, schieb sie schnell wieder zur Wohnungstür hinaus und lade sie nie wieder ein! Denn sie ist nicht nur eine schlechte Testleserin, sie ist in jeder Hinsicht schlecht für Dich.

Falls Dir selbst die Erinnerung an diese Person unangenehm ist, findest Du hier übrigens drastische Ideen zur Gedächtnismanipulation.

Wichtig ist vor allem: Was erhoffst Du Dir vom Testleser?

Natürlich ist die Headline Die 7 schlimmsten Testleser! Wem Du Dein Manuskript nie zeigen solltest“ zu allgemein gehalten. Allerdings möchte ich zu meiner Verteidigung vorbringen, dass der korrekte Titel deutlich zu lang für eine Überschrift wäre. Der müsste nämlich lauten:

Wem Du Dein Manuskript eher selten zeigen solltest, wenn Du Dir Feedback wünschst, das Dich in Bezug auf Dein schriftstellerisches Können weiterbringt“

Wenn Verbesserung Dein Ziel ist, dann bringen Dich die oben genannten Testleser nicht weiter. Entweder haben sie zu wenig Ahnung von der Materie, um Dir helfen zu können, oder sie wollen es nicht einmal!

Meiner Erfahrung nach wünschen sich aber gar nicht alle Autoren solch ein Feedback. Oder sie wollen es zumindest nicht in jeder Situation. Denn die bittere Wahrheit lautet: Wir werden vor allem dann besser, wenn wir unsere Fehler erkennen und an ihnen arbeiten. Doch fast jedem ist es unangenehm, auf eigene Fehler hingewiesen zu werden.

Und seien wir doch ehrlich: Wer Monate bis Jahre im stillen Kämmerlein an seinem Manuskript gearbeitet und dafür Zeit geopfert hat, die er auch mit Freunden hätte verbringen können, der wünscht sich ab und zu einfach mal ein Lob und seelisches Nackenkraulen. Und das ist vollkommen legitim. Allerdings muss man sich das auch bewusst machen und sein Verhalten darauf abstimmen. Wer zu seinem befreundeten Erfolgsautor, Lektor oder einem kritischen Vielleser geht, dort explizit nach einer ehrlichen und und schonungslosen Expertenmeinung fragt und dann beleidigt reagiert, wenn er nicht gebauchpinselt wird, der handelt inkonsequent! Und belastet eventuell sogar Freundschaften oder Beziehungen.

Wer sich hingegen ausschließlich mit Leuten umgibt, die alles bejubeln, was man ihnen vorsetzt, der wird sich wahrscheinlich nie verbessern.

Wie so oft liegt das Ideal in der goldenen Mitte.

Bevor man alles hinwirft und sein Manuskript verbrennt, ist es mit Sicherheit besser, sich auch mal ein Lob von Leuten abzuholen, die einen mit süßen  Komplimenten übergießen, als sei das eine Honigglasur und man selbst der Lebkuchenmann. Und erst dann, wenn man seelisch nicht mehr auf dem Zahnfleisch kriecht, stellt man sich wieder der Kritik von Leuten, die zwar kein Blatt vor den Mund nehmen, aber die auch keine notorischen Dauernörgler sind.

Und für den Fall, dass Du gerade eine stressige Phase durchlebst und etwas dünnhäutig bist: Weise Deine potenziellen Testleser ruhig darauf hin, dass zunächst ein grober erster Eindruck als Feedback reicht und Du Dein Manuskript nicht gleich mit dem Seziermesser zerlegt sehen möchtest. Denn das verhindert Streit mit Menschen, die Dein Leben deutlich mehr bereichern dürften, als die meisten der hier genannten Archetypen.


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Autor: Marius Tahira

Blogger und hauptsächlich Verantwortlicher der Website marius-tahira.de, auf der er sich den Genres Horror, Dystopie und Thriller widmet. Nach einer Verlagsausbildung und seinem Germanistikstudium war er lange Zeit im Lektorat tätig und arbeitet nun im Bereich der Suchmaschinenoptimierung.

8 Gedanken zu “Die 7 schlimmsten Testleser! Wem Du Dein Manuskript nie zeigen solltest

  1. Sehr guter Artikel, da steckt eine ganze Menge Mühe drin, diese Typen zu benennen und zu charakterisieren. Aber ehrlich gesagt sind diese Typen Mensch auch charakteristisch für andere Situationen im Leben: der Schleimer, der Keine-Ahnung-Typ, der/die Nörgler/in (meine letzte Chefin war von dieser Spezies).

    Ich schaue mich jetzt noch ein bisschen bei Dir um – die Themen sprechen mich auf jeden Fall sehr an. Meine Genres sind Utopien/Dystopien, fantastische Literatur, Horror und Hard-SciFi. Aber bloß kein Fantasy…

    1. Hallo Martin. =) Zunächst vielen Dank für Dein Feedback. Und ja, die Typen sind sicher auch charakteristisch für andere Bereiche des Lebens. Der Text lässt sich eigentlich auf sämtliche kreativen Hobbys beziehen: Insbesondere die „egozentrischen Selbstvermarkterin“, die andere Werke abwertet, um ihr eigenes zu pushen, ist mir leider auch immer wieder in Mal- und Zeichenkursen oder auf Künstler-Conventions begegnet. In Chefetagen sitzen solche Gestalten sicherlich auch. Das Problem: Bei Chefs und Arbeitskollegen funktionieren viele meiner beschriebenen Lösungsstrategien dann nicht mehr so gut wie bei reinen Testlesern. 😉 Und was Literaturgenres betrifft, sind wir dann ja ziemlich auf einer Linie. =) Wobei ich zugegebenermaßen auch Fantasy lese. Aber aufgrund des häufig doch sehr formelhaften Aufbaus vieler Fantasy-Romane find ich da die Interpretation nicht so spannend. Wobei: Vielleicht wäre das ja ein Zukunftsprojekt: Über die wenigen innovativen Fantasy-Romane zu schreiben …. irgendwann in vielen, vielen Jahren, wenn ich hier die ersten paar Hundert Artikel zu Horror, Thriller und Dystopien geschrieben habe. =D

  2. Ich schreibe gerade mein allererstes Buch. Zwar „nur“ ein Sachbuch, aber mir graut jetzt schon vor jedem einzelnen dieser Typen. Irgendwie ist der Gedanke im Allgemeinen, daß das jemand liest irgendwie befremdlich 🙂

    1. Hm, das bringt mich auf die Idee, vielleicht einen zweiten Artikel für Sachbuchleser aufzuziehen. =D Da hat man nämlich häufiger mit solchen Lesern zu tun, die vorher ein einziges Buch zu dem Thema gelesen haben, aber dann den Autor als selbsternannte Experten belehren wollen. 😉 Was ist denn Thema des geplanten Sachbuches? Und auch wenn es befremdlich ist: Letztlich ist es ja das Ziel, dass die eigene Veröffentlichung von möglichst vielen Leuten gelesen wird. Daher viel Erfolg. 🙂

  3. Kleine Aufmerksamkeit zur langen Überschrift:
    „Wem Du Dein Manuskript eher selten zeigen solltest, wenn Du Dir Feedback wünscht, dass Dich im Bezug auf Dein schriftstellerisches Können weiterbringt.“
    Richtig:
    (… wenn Du Dir Feedback) > wünschst das < (Dich im Bezug…) !
    Ist mir mal eben so aufgefallen…
    Lieben Gruß!

  4. Hallo, Marius,

    der zweite Blogartikel, den ich von dir lese. Amüsant geschrieben, leider ist der Hintergrund nicht so erfrischend. Um es in weniger emotionale Bahnen zu lenken, mochte ich aus eigener Erfahrung dem Vorurteil entgegentreten, man solle als Testleser keine Freunde oder Verwandte einspannen. Freilich fiel dabei auch eine Freundin durchs Rost als begeisterungsfähige Wenigleserin (wörtliches Zitat: „Freilich interessiert mich brennend, wie du schreibst. Es ist ja schließlich von dir.“). Hingegen fand ich bei Freunden und in der Familie meine im positiven Sinne kritischsten Testleser. So gab mir ein Freund für das Manuskript meines Debütromans Ratschläge, mehr Emotion in den Roman zu legen, mein Sohn ließ mich das ganze Manuskript neu strukturieren, und mein Bruder, der selbst schreibt, schockierte mich mit 499 Korrekturen und Randbemerkungen, also fast eine Äußerung je DIN-A-4Seite. Nachdem ich mich 14 Tage lang nicht getraute, das Manuskript wieder zur Hand zunehmen, weil ich nicht wusste, wo ich beim Überarbeiten anfangen sollte, wurde auf Grund all jener Kritiken ein recht guter Roman draus.

    Beste Grüße
    Michael Kothe, Autor

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